Veranstaltung: | Offener Brief an die GRÜNE Parteispitze zur Situation in Israel und Palästina |
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Antragsteller*innen: | Mersad Rekic (KV Stuttgart) Canan Balaban (KV Ludwigsburg) Amer Alabdallah (KV Ulm) Simone Ernst (KV Stuttgart) Moussab Daniel Alsayyad (KV Stuttgart) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 23.04.2024, 20:55 |
A1: Offener Brief an die GRÜNE Parteispitze zur Situation in Israel und Palästina
Antragstext
Wir sind Grüne Parteimitglieder und Menschen, die sich mit den Werten der Grünen
Partei verbunden fühlen. Leider beobachten wir zunehmend, dass sich unsere
Außenpolitik von Grünen Werten entfernt. Dies zeigt sich insbesondere am Umgang
mit der aktuellen lebensbedrohlichen Situation für die Zivilbevölkerung von
Gaza. Zudem wissen wir zugleich alle, dass der Nahostkonflikt nicht erst seit
dem 7. Oktober 2023, sondern seit über 70 Jahren besteht und weiterhin ungelöst
bleibt.
Wir verurteilen den Angriff auf Israel vom 7. Oktober aufs Schärfste und es ist
wichtig und richtig, dass die Bundesregierung an der Seite Israels steht, um nun
schnellstmöglich alle Geiseln zu befreien und die Hamas und alle anderen
Terrormilizen in Gaza zu bekämpfen und zu entmachten. Nur so kann der Schutz
aller Menschen in Israel und in den palästinensischen Gebieten sowie die
Sicherheit in der Region gewährleistet werden.
Gleichzeitig muss eine feministische und menschenrechtsgeleitete Grüne
Außenpolitik stets darauf ausgerichtet sein, ziviles Leid zu verhindern und auf
einen dauerhaften Frieden hinzuarbeiten. Angesichts des enormen humanitären
Leids in Gaza fordern wir daher, dass die deutsche Außenpolitik eine kritischere
Haltung gegenüber der Mittel einnimmt, die in diesem Kampf von der rechten
israelischen Regierung eingesetzt werden. Deutsche Solidarität und Unterstützung
muss sich an die Bedingung der Menschenrechte knüpfen, nicht nur theoretisch,
sondern auch praktisch!
Am Anfang Deiner Amtsübernahme als Außenministerin verkündest Du, liebe
Annalena, Deine feministische und menschenrechtliche Außenpolitik. Dies gab eine
Hoffnung auf einen Wechsel zu einer gerechten internationalen Politik. Zudem
haben Dein Engagement und Bemühungen für humanitäre Hilfe, Schutz der
Zivilbevölkerung und Frieden in der Ukraine unsere Hochachtung. Dieselbe Energie
und das gleiche Engagement erwarten wir von Dir, nicht nur als Grüne Mitglieder,
sondern auch als Menschenrechtsaktivist*innen bei der Gaza-Katastrophe. Menschen
sind Menschen, egal wer sie sind. Das humanitäre Völkerrecht muss gewahrt
werden.
Was ist Grüne Außenpolitik?
Unsere Grüne Politik basiert auf den unteilbaren Menschenrechten - sowohl
national als auch international. Die politische Stärkung dieser Werte sollte
durch die Europäische Union und die Vereinten Nationen gewährleistet werden.
Abrüstung und die Negierung von Waffenlieferungen in Kriegsgebiete stehen weit
oben auf unserer außenpolitischen Agenda.
Woran scheitert es in Gaza?
Nun stehen wir jedoch vor einem außenpolitischen Scherbenhaufen, vervielfachen
die Waffenlieferungen an Israel und stellen uns solidarisch mit einer
rechtsextremen Regierung ohne uns entschieden gegen die Gewalt durch die
israelische Armee sowie die Gewalt im Westjordanland und die weiteren
hinzugekommenen Belagerungen einzusetzen zu können. Die Lage ist katastrophal.
Ob der Tod durch Raketen, Hunger, Krankheit oder durch den Abwurf von
Hilfsgütern geschieht - jedes Opfer ist eines zu viel. Die Paradoxie endet auch
nicht hier: Nach der Annahme der Klage von Südafrika am IGH sollte Israel alles
tun, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Doch dies ist bis heute nicht
geschehen.
Auf den nicht bewiesenen Vorwurf hin, dass die UNRWA mit der Hamas kollaboriert
hätte, wurden jedoch alle für Gaza geleisteten Zuwendungen gestoppt. Die
bedingungslose Solidarität mit der israelischen Regierung kostet uns unsere
Werte, unsere Vertrauenswürdigkeit und trägt leider zu noch mehr Leid in Gaza
bei. Gleichzeitig sind viele Geiseln weiterhin nicht aus der Gefangenschaft im
Gazastreifen befreit und erleiden die militärischen Angriffe und die
lebensbedrohlichen Umstände ebenso wie die palästinensische Zivilbevölkerung. Es
beschämt uns, dass unsere Außenministerin, Du liebe Annalena, zu wenig, zu
unentschieden und zu langsam interveniert hast.
Dass sich Deutschland auf der Anklagebank vor dem Internationalen Gerichtshof
(IGH) wegen Beihilfe zum Völkermord verantworten muss und der Beschluss des UN-
Sicherheitsrates zur sofortigen Waffenruhe, sollten uns Warnsignale sein
dahingehend, dass wir eine dringende Kursänderung einschlagen müssen.
Was fordern wir?
Mit dem bevorstehenden militärischen Einsatz der israelischen Armee in Rafah
droht eine weitere Verschärfung der humanitären Krise. Dieser Einsatz sollte mit
allen diplomatischen Mitteln verhindert werden. Die bestehende humanitäre Krise
im Gazastreifen benötigt eine sofortige und umfassende Antwort. Die Menschen im
Gazastreifen leiden unter schweren humanitären Bedingungen, die durch jahrelange
Konflikte und Blockaden verschärft wurden.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass alle Akteure die Verantwortung für den
Schutz der Zivilbevölkerung und der Geiseln übernehmen und Maßnahmen ergreifen,
um ihr Leben und ihre Sicherheit zu gewährleisten. Außerdem ist es erforderlich,
eine massive Bereitstellung von humanitären Hilfsgütern zu leisten. Um
sicherzustellen, dass diese humanitäre Hilfe diejenigen erreicht, die sie
benötigen, ist eine effektive Überwachung und Koordination unerlässlich.
Hilfslieferungen müssen unter der Aufsicht von UNO und lokalen Organisationen
erfolgen und über Landwege transportiert werden, um zu gewährleisten, dass sie
ungehindert die Bedürftigen in Gazastreifen erreichen.
Zudem spielten Hilfsorganisationen u.a. UNRWA in den letzten Jahrzehnten eine
entscheidende Rolle bei der Bereitstellung von humanitärer Hilfe und
Unterstützung für die Menschen im Gazastreifen. Es ist wichtig, dass diese
Organisationen gestärkt und unterstützt werden, damit sie ihre lebensrettende
Arbeit fortsetzen können. Das Leid der Zivilbevölkerung, insbesondere der Frauen
und Kinder, ist nicht vereinbar mit einer feministischen Grünen Außenpolitik.
Darüber hinaus betonen wir die Notwendigkeit, die Friedensbewegung in Israel und
auf der palästinensischen Seite zu unterstützen, um Dialog und Versöhnung zu
fördern und somit den Grundstein für eine nachhaltige Lösung des Konflikts zu
legen. Außerdem sind die Achtung und Umsetzung der Beschlüsse des
Internationalen Gerichtshofs für eine gerechte Konfliktlösung unerlässlich.
Deshalb fordern wir einen sofortigen Stopp der deutschen Waffenlieferungen an
Israel und in andere Konfliktgebiete, um die Eskalation der Gewalt und weiteres
Leid zu verhindern. Unser Ziel bleibt eine sofortige Waffenruhe, damit Gewalt
beendet und humanitäre Hilfe ermöglicht werden kann. Dies soll einen Raum für
Diplomatie und dauerhafte politische Lösungen schaffen. Zudem spielen Diplomatie
und die Zusammenarbeit mit arabischen Staaten eine essentielle Rolle, um
langfristigen Frieden und Stabilität in der Region zu erreichen.
Deutschland muss die politischen Akteure in Israel unterstützen, die klar für
eine Zwei-Staaten-Lösung einstehen. Netanyahu tut das nicht. Er hat in seinen
zahlreichen Regierungsjahren vieles dafür getan, um sie zu verhindern. Die Hamas
konnte nur so stark werden, weil diverse Regierungen unter Netanyahus Führung
aktiv zur Stabilisierung und Festigung der Macht der Hamas beigetragen haben.
Ziel war dabei, die Autonomiebehörde in der Westbank zu schwächen. Forderungen
müssen an messbare Bedingungen geknüpft werden.
Die Bekämpfung von Terror muss nachhaltig erfolgen. Die militärischen Maßnahmen
und Aktionen sollten stets auf ihre Verhältnismäßigkeit und Wirksamkeit
überprüft werden. Das aktuelle Vorgehen der israelischen Regierung bereitet
gerade das Saatfeld für weiteren Terrorismus - in Gaza und in anderen Teilen der
Welt. Bei der Bekämpfung der Hamas dürfen deren politische Führer im Exil nicht
vergessen werden. Sie sollten zuallererst zur Rechenschaft gezogen werden. Ein
militärischer Sieg gegen den Terror ist allein nicht möglich. Es braucht auch
einen strategischen Sieg um die Herzen und Köpfe der Menschen.
Was ist unsere Verantwortung?
Die Lehre aus unserer eigenen Geschichte ist neben unserer Verpflichtung
gegenüber dem Staat Israel auch die Achtung jeden menschlichen Lebens unabhängig
von der Herkunft, der ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit. Konflikte
außerhalb unserer Grenzen strahlen in unsere Gesellschaft hinein. Rechtsextreme
und antisemitische Straftaten in der BRD nehmen zu. Wir als Grüne Partei tragen
neben der außenpolitischen Verantwortung auch Verantwortung für den
gesellschaftlichen Zusammenhalt.